Meißner Straßenbahn


Bereits um 1880 gab es konkrete Überlegungen für eine Pferde-Straßenbahn in Meißen. Ursprünglich sollte die Strecke damals noch über den Markt und die Fleischergasse geführt werden. Diesbezüglich erging im Jahre 1883 eine Anfrage zur Konzession an die Stadt, in der man den Bau einer Meißner Straßenbahn „mittels mechanischen Motors“ oder auch Gasmotorwagen plante. Schließlich geriet die Anfrage wieder in Vergessenheit und wurde nicht mehr weiterverfolgt.
Geschichte
Erst im Jahre 1895 schloss die Stadt Meißen mit dem Leipziger Kaufmann Heinrich Eckstein, der Kredit- und Sparbank Leipzig sowie der Union-Elektricitäts-Gesellschaft Berlin einen entsprechenden Vertrag zum Bau der Straßenbahn ab. Zeitgleich sollte dazu auch noch ein Elektrizitätswerk in Meißen gebaut werden. Ein weiterer Vertrag über die endgültige Linienführung folgte am 2. Juni 1898. Darin war dann schon eine Güterstrecke zum Elbkai fest eingeplant. Noch im gleichen Jahr begannen dann sogar die Bauarbeiten mit dem Verlegen der Gleise in der Talstraße.
Eröffnung
Am 13. Dezember 1899 konnte auf einer 4,6 Kilometer langen eingleisigen und meterspurigen Strecke, der Betrieb zwischen den Bahnhof Meißen und der Jaspisstraße eröffnet werden. Der offizielle Personenverkehr nach Fahrplan begann allerdings erst drei Tage später, am 16. Dezember 1899. In der Betriebsurkunde war nun endgültig festgelegt, dass die Strecke vom Bahnhof Meißen bis zur heutigen Kerstingstraße nur dem Personen-, Gepäck- und Stückgutverkehr zu dienen hatte. Die Strecke zum Elbkai über den Neumarkt sollte nur dem reinen Güterverkehr vorbehalten sein. Die Reststrecke bis zum Buschbad diente dem gemischten Verkehr. Das Konsortium gründete am 12. Mai 1900 die Meißener Straßenbahn AG. Zum Betriebshof und Straßenbahndepot wurde die Jaspisstraße Nr. 11 im Triebischtal erklärt.
Betrieb
Man fuhr die Strecke damals im Zehn-Minuten-Takt. Sie begann am „Staatsbahnhof Meißen“ in Cölln und überquerte die Elbe zur Altstadt hin bis zum Kleinmarkt. Dort war am heutigen Stadtmuseum (Heinrichsplatz) eine recht enge und unübersichtliche Stelle zu meistern, welche sogar von einem Verkehrsposten geregelt wurde. Weiter ging es durch die Neugasse, der Talstraße und weiter nach Westen vorerst bis zum Abzweig Jaspisstraße. Auf der Betriebsstrecke durch die Jaspisstraße bis zum Straßenbahndepot, gab es aber keinen Personenverkehr. Sie diente nur als Zufahrt zum Depot und dem Güterverkehr. Schon am ersten Tag zählte man 2.700 Fahrgäste. Unglücklicherweise kam es auch gleich zu einem Unfall, denn ein Fahrgast erlitt leichten Schaden, als er noch während der Fahrt vom Trittbrett der Straßenbahn absprang.
Schon am 11. Januar 1900 konnte der Betrieb auf dem Abschnitt bis zur damaligen Stadtgrenze auf der Mühlgrabenbrücke an der Straße Am Triebischwehr aufgenommen werden. Die Reststrecke bis zur Endstation am Buschbad, nahe der Triebisch, wurde schließlich am 1. April 1900 für den Personenverkehr freigegeben.
Die Fahrzeit über die Gesamtstrecke betrug insgesamt 23 Minuten. Gefahren wurde demnach vom Bahnhof Meißen bis zur Jaspisstraße alle zehn Minuten, bis nach Buschbad alle zwanzig Minuten. Bei Volksfesten auf der Schießwiese (Juteplan) im Triebischtal, verkehrte die Straßenbahn zwischen Neugasse und Böttgerstraße alle 5 Minuten. Man muss dabei beachten, dass die Bahn in den engen Gassen der Altstadt, zum Beispiel am Heinrichsplatz, nur mit 6 km/h fahren durfte. Auf den Außenstrecken durch das Triebischtal waren dagegen bis zu 20 km/h erlaubt.
Galerie
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Auf der Altstadtbrücke.
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Am Heinrichsplatz.
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Straßenbahn auf der Neugesse um 1909.
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Straßenbahn am Alberthof.
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Im Triebischtal an der Jutespinnerei.
Streckenübersicht Personen-Straßenbahn
Die Strecke war vorwiegend eingleisig gestaltet und an vielen Stellen gab es Ausweichen. So war der gleichzeitige Verkehr in beide Richtungen abgesichert. Bei Bedarf war sogar ein 5-Minuten-Verkehr möglich. Die Elbbrücke und einen Teil der Elbstraße hatte man schon zu Beginn zweigleisig angelegt. Da die alte Brücke jedoch nicht für die Belastung von gleich zwei Zügen ausgelegt war, durften sich auf der Elbbrücke keine Straßenbahnwagen begegnen. Sie war demnach immer nur mit einem Zug zu befahren. Um eine Begegnung zu vermeiden, musste ein Wärter auf jeder Seite der Brücke für die notwendige Verkehrssicherheit sorgen. Erst 1902 konnte man auf die Wärter verzichten.
Über Elbstraße und Heinrichsplatz führte die Strecke weiter zur Neugasse und von dort in die Talstraße. Am Heinrichsplatz war ein weiterer Wärter eingesetzt, damit es an der schmalen Durchfahrt zum Kleinmarkt, zu keiner Begegnung mit breiten Fuhrwerken kam. Im Jahre 1903 konnte dann auch dieser Wärter entfallen, da nun eine Lichtsignalanlage seine Aufgaben übernahm. An der Haltestelle Neugasse vor der Filmburg, gab es ein verglastes Wartehäuschen auf dessen Dach eine Uhr angebracht war. Weiter verlief die Strecke zum Ende der Neugasse am ehemaligen Alberthof. Auch dort gab es eine Haltestelle mit Ausweiche. Ab der Blechwarenfabirk Quaas begann der Streckenabschnitt für den gemischten Personen- und Güter-Straßenbahnverkehr in Richtung Jaspisstraße und Buschbad. An der Reichmühle passierte man den Abzweig der Güter-Straßenbahn, welcher dort vom Triebischtal kommend, in Richtung Neumarkt abbog. Besondere Obacht war nun geboten, denn ab hier gab es viele Abzweige zu den dort ansässigen Firmen. Auch die Porzellanmanufaktur Meißen sowie die Städtische Gasanstalt in der Talstraße, wurden regelmäßig mit Koks- und Kohle von der Güter-Straßenbahn beliefert. Besonders an den Ausweichen war stets mit Rangierarbeiten oder mit dort kurzzeitig abgestellten Waggons zu rechnen.
Die Beförderungszahlen erreichten im Jahre 1913 mit 1.087.000 einen Höhepunkt. Ein weiteres Wartehäuschen aus Klinkerstein mit Bedürfnisanstalt sowie Wandbrunnen, befand sich an der Haltestelle Böttgerstraße. Leider wurde das unter Denkmalsschutz stehende Funktionsgebäude unter skandalösen Umständen erst vor wenigen Jahren einfach abgerissen. Am Abzweig zur Jaspisstraße gab es ein weiteres Gleisdreieck. Dadurch konnten Straßenbahnen aus beiden Richtungen kommend, direkt zum Betriebshof Jaspisstraße fahren. Von hier führte die Strecke über die damalige Jacobistraße (Ossietzkystraße) bis zur Endhaltestelle am Buschbad. Hier gab es auch den letzten zu bedienenden Gleisanschluss zur Buschmühle, den die Güter-Straßenbahn regelmäßig anfuhr.
Stilllegung Personenverkehr
Als Folge von Streiks und Kohlemangel kam es vom 25. Dezember 1918 bis 23. Mai 1919 zur kompletten Stilllegung der Straßenbahn. Die Zeit der Stilllegung nutzte man um in der Kraftstation im Triebischtal die verschlissenen Gasmotore durch Elektromotore auszutauschen. Vom 25. Januar 1920 bis 9. November 1920 ruhte der Betrieb erneut.
Ab 1. Oktober 1929 verpachtete die Stadt Meißen den Straßenbahnbetrieb für 15 Jahre an den Elektrizitätsverband Gröba. Im Jahre 1930 wurde ein 20-Minuten-Verkehr eingeführt. In der Folgezeit wurde das Gütergleis zum Elbkai stillgelegt; die Güterzüge endeten nun am Hahnemannsplatz in der Triebischvorstadt. Aber auch der Personenverkehr wurde erheblich reduziert. Nachdem die alte Elbbrücke 1934 abgebrochen worden war, endete die Straßenbahn am linken Ufer in der Elbstraße. Auch nach dem Neubau der Altstadtbrücke erhielt sie keine Genehmigung, diese zu benutzen, und konnte nun den Bahnhof nicht mehr erreichen. Folglich endete der Straßenbahn-Personenverkehr am 21. Dezember 1935. Er wurde nun ausschließlich mit Omnibussen bedient, die – nach einem Probebetrieb im Jahr 1906 – schon seit dem 23. Februar 1928 von der Städtischen Straßenbahn zusätzlich eingesetzt worden waren.[1][2][3][4]
Güterstraßenbahn
Nachdem der Personenverkehr planmäßig durch die Stadt rollte, konnte am 20. September 1900, durch die Meißner Straßenbahn AG, ebenfalls mit der Güterbeförderung begonnen werden. Insgesamt standen zum Güterbetrieb einmal vier Elektrolokomotiven und Rollböcke zur Aufnahme der Waggons zu Verfügung. Zu Beginn waren es zunächst noch 2 Lokomotiven, zahlreiche Rollböcke und 7 eigene Güterwagen. Inzwischen hatten verschiedene Industriebetriebe der Stadt, besonders dann, wenn sie an der Hauptstrecke lagen, ein eigenes Güter-Anschlussgleis bekommen. Insgesamt hat es einmal 16 Gleisanschlüsse gegeben, welche alle jedoch nicht zeitgleich im Betrieb waren. Einige Anschlüsse kamen im Laufe der Zeit dazu und einige fielen auch weg.
Transportiert wurden zum Beispiel Rohstoffe wie Kaolin, Lehm, Quarzsand, Kies und Ton. Weiterhin noch Brennstoffe wie Koks und Kohle, Getreide, Zement, Zuckerrüben und Jute. Jedoch wurden ebenfalls Fertigprodukte befördert wie Maschinen, Maschinenteile, Klinker, Mühlenprodukte, Ofenkacheln, Porzellane, Spinnereierzeugnisse oder Ziegel. Gebildet wurden die Güterzüge aus bis zu fünf Schmalspurgüterwagen oder bis zu vier aufgebockten Normalspurgüterwagen.
Das Straßenbahndepot in der Jaspisstraße bildete das Herzstück des Güterverkehrs durch die Stadt. Hier wurden die Güterwagen der Staatsbahn über ein Anschlussgleis zunächst in die Umspuranlage des Straßenbahndepots überführt. Mit Hilfe der dortigen Rollbockgruben wurden die Wagen auf die Rollböcke gezogen und konnten nun von den Güterloks übernommen und den Betrieben zugestellt werden. Die Züge bogen dann an der Hauptstrecke in die Talstraße entweder nach links in Richtung Buschbad ab, oder sie fuhren nach rechts in Richtung Neumarkt zum Elbkai oder zum Bahnhof Meißen. Die Gesamtstrecke für den Güterverkehr war insgesamt 6,3 km lang. Die Zufahrt vom Gleisdreieck Talstraße zum Betriebshof Jaspisstraße war dabei mit 0,22 km die kürzeste.
Galerie
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Kran der Meißner Straßenbahn am Elbkai.
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Ein Güterzug in der Jaspisstraße.
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Der Gleisanschluss an der Reichmühle in der Talstraße.
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Güterwagen auf Rollböcken in der Talstraße.
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In der Talstraße am Gaswerk.
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Erhaltene Oberleitungsrosette im Stadtbild.
Gleisanschlüsse
Nachweisbar sind heute 23 Abzweigungen von den Strecken- und Betriebshofgleisen, die in 15 Betriebe der Stadt Meißen führten. Die Anschlüsse bestanden jedoch, wie schon erwähnt, nie gleichzeitig. Der erste eingerichtete Firmenanschluss verschwand schon 1914, als die Nähmaschinenfabrik Biesolt & Locke einem Großbrand zum Opfer fiel. Im Jahre 1961 wurde der letzte Fabrikanschluss zur neuen Halle vom VEB Molekularzerstäubung im Triebischtal realisiert. Anschlussgleise bestanden demnach zur:
- Buschmühle (Buschbad)
- Tonwarenfabrik Tittelbach
- Chamotte- und Tonwaren-Fabrik
- Ziegelei Otto & Schlosser
- Emaillierwerk Teutonia
- VEB Molekularzerstäubung
- Jutespinnerei Lager II
- Jacobiwerk (Maschinenfabrik)
- Jutespinnerei Hauptwerk Schützestraße
- Meißner Gasanstalt
- Porzellanmanufaktur Meißen
- Maschinenfabrik Schindler & Grünewald
- Reichmühle
- Blechwarenfabrik Quaas
- Nähmaschinenfabrik Biesolt & Locke
- Meißner Ofen- und Porzellanfabrik vorm. Carl Teichert
Stilllegung Güterverkehr
Nach Ausbruch vom Zweiten Weltkrieg kam keine Jute mehr auf dem Wasserweg in Meißen an. Im Kriegsjahr 1941 mussten zudem noch 14 Güterwagen an die Munitionsbahn in Dranske abgegeben werden. Nach dem Krieg wurden 1947 schließlich die Gleise vom Elbkai bis zum Hahnemannsplatz ausgebaut und verkauft. Die übriggebliebene Güterstrecke betrug nun nur noch 3,82 km. Trotzdem ging es weiter und 1951 hatte man noch ca. 500 Reichsbahngüterwagen an die verbliebenen Anschlüsse der Stadt befördert.
Da die Deutsche Reichsbahn inzwischen immer mehr lange vierachsige Güterwagen einsetzte, waren dann auch bald für die Güterstraßenbahn die technischen Möglichkeiten erschöpft. Die alten und oft engen Gleisanschlüsse, waren zur Überführung einfach nicht mehr geeignet. Zunächst stellte man die Zustellung von Wagen für das Plattenwerk am Neumarkt ein. Dann wurde auch die Porzellanmanufaktur sowie das Städtische Gaswerk nicht mehr bedient. Die meisten Lieferungen hatten inzwischen Lastkraftwagen übernommen. Am Buschbad wurde zudem die Schamotteproduktion eingestellt und somit erging der Beschluss, den Güter-Straßenbahn-Betrieb zum 31. Dezember 1967 völlig einzustellen. In den ersten beiden Tagen des Jahres 1968, mussten noch einige zugestellte Güterwagen aus den Anschlüssen zurückgeführt werden. Damit erfolgte die endgültige Stilllegung dann erst am 2. Januar 1968. [5][6][7][8]
Literatur
- Die Straßenbahnen in der DDR. Berlin 1978, ISBN 3-87943-625-8.
- Mario Schatz und Günter Naumann in 100 Jahre öffentlicher Personennahverkehr in Meißen, Meißner Tageblatt Verlags GmbH, 1999.
- Günter Naumann: Stadtlexikon Meißen. Sax-Verlag, Beucha 2009, ISBN 978-3-86729-013-5.
- Wolfram Wagner, Peter Wunderwald, Udo Jankowski: Die Schmalspurbahn Meißen Triebischtal – Lommatzsch, Wunderwald Bahnbücher, Nossen, 2016, S. 32 bis 43.
- Wolfram Wagner, Peter Wunderwald: Die Schmalspurbahn Wilsdruff – Meißen Triebischtal, Wunderwald Bahnbücher, Nossen, 2019, S. 78 bis 84.
Einzelnachweise
- ↑ Günter Naumann: Stadtlexikon Meißen. Sax-Verlag, Beucha 2009, S. 336 und 337.
- ↑ Mario Schatz und Günter Naumann in 100 Jahre öffentlicher Personennahverkehr in Meißen, Meißner Tageblatt Verlags GmbH, 1999.
- ↑ Wolfram Wagner, Peter Wunderwald, Udo Jankowski: Die Schmalspurbahn Meißen Triebischtal – Lommatzsch, Wunderwald Bahnbücher, Nossen, 2016, S. 32 bis 43.
- ↑ Wolfram Wagner, Peter Wunderwald: Die Schmalspurbahn Wilsdruff – Meißen Triebischtal, Wunderwald Bahnbücher, Nossen, 2019, S. 78 bis 84.
- ↑ Günter Naumann: Stadtlexikon Meißen. Sax-Verlag, Beucha 2009, S. 336 und 337.
- ↑ Mario Schatz und Günter Naumann in 100 Jahre öffentlicher Personennahverkehr in Meißen, Meißner Tageblatt Verlags GmbH, 1999.
- ↑ Wolfram Wagner, Peter Wunderwald, Udo Jankowski: Die Schmalspurbahn Meißen Triebischtal – Lommatzsch, Wunderwald Bahnbücher, Nossen, 2016, S. 32 bis 43.
- ↑ Wolfram Wagner, Peter Wunderwald: Die Schmalspurbahn Wilsdruff – Meißen Triebischtal, Wunderwald Bahnbücher, Nossen, 2019, S. 78 bis 84.