Der dumme Junge von Meißen

Über ein Meißner Original der besonderen Art wird in der alten Sage vom dummen Jungen, oder auch den Gänsejungen von Meißen erzählt. Über viele Generationen hinweg wurde dessen Geschichte nun schon weitergegeben. Der Junge, der in einigen Überlieferungen auch Klaus genannt wird, wurde durch seine Geschichte selbst zum Original und gehört damit auf ewig zur Stadt.
Die Sage
Wie jeden Morgen sah man den Jungen in armselig buntgeflickter Kleidung, mit seinen laut schnatternden Begleitern das Stadttor passieren, um dann auf der großen Elbwiese die Gänse zu hüten. Als Klaus durch die Elbgasse kam, begegnete er einigen prächtig gekleideten Ratsherren, welche mit bedächtigen Schritten zum Rathaus gingen. Am anderen Ende der Elbgasse, am Brückentor, waren zahlreiche Stadtknechte mit Trommelwirbel und Pfeifenklang aufmarschiert. Was war denn heute los? fragte sich Klaus. Die Antwort darauf bekam er schnell, denn einer der Stadtknechte fuhr ihn an. "Mach, dass du wegkommst mit deinen Gänsen, gleich kommt der Kurfürst!" Und wirklich, aus weiter Ferne erscholl bereits Fanfarenklang und ein großer schwerer Reisewagen, näherte sich umgeben von vielen Reitern mit wehenden Fahnen der hölzernen Elbbrücke. Schade, dachte Klaus und blickte traurig nach seinen Gänsen. Von den Elbwiesen aus, werde ich den Kurfürsten wohl nicht sehen. Oh, Mann, ich muss doch auf die Gänse aufpassen und bekomme am Abend großen Ärger, wenn dann auch nur eine einzige Gans fehlt. Langsam ging er weiter. Oben am Brückentor hatten sich inzwischen viele Menschen versammelt und einige jubelten sogar. Da, mit einem lauten fast ohrenbetäubenden Rumpeln, fuhr die schwere Kutsche vom Kurfürsten auf die hölzerne Brücke. Das Schnaufen der Pferde und das rhythmische Stampfen ihrer Hufe schallten durch das Elbtal. Hinter der Kutsche liefen einige Kinder her, die nur mit Mühe von den berittenen Begleitern, auf Distanz gehalten wurden.
Klaus konnte es ganz deutlich sehen, dass der Kurfürst hin und wieder etwas in die jubelnde Menge warf. Klaus rannte plötzlich los und blieb auch gleich wieder stehen. Ach ja, die blöden Gänse! Er musste sie mitnehmen, aber wie? Kurzentschlossen packte er seine Gänse und stopfte sie mit einem herzhaften Ruck durch den engen Ledergürtel, welcher seine buntgeflickte Hose hielt. Schnell war er wieder auf der Elbgasse und drängelte sich durch die vielen neugierigen Gaffer. Bunte Fahnen, Pferde, Kutschen, alles wehte, trampelte und rumpelte an Klaus vorbei. Solch einen bunten Zug hatte er schon lange nicht mehr gesehen. Selbst seine am Gürtel hängenden Gänse, schienen mit weit aufgerissenen Schnäbeln und verwundert verdrehten Augen, diesen Anblick zu bestaunen. Als die letzten Trompetenklänge vom lauen Sommerwind fortgetragen waren, zerstreute sich langsam das gerade noch begeisternd jubelnde Volk und jeder ging wieder seinen Alltagsgeschäften nach.
Der Bäcker ging in seine Backstube zurück, der Schneider setzte sich wieder auf das Fensterbrett und seine Nadel blitzte lustig im Schein der Sonne. Klaus trollte sich nun auch davon und ging wieder den Elbwiesen zu. Doch wo waren seine Gänse geblieben? "Biele, biele, bi…?" Oh je, erstickt und tot hingen sie nun im Gürtel und ließen die Hälse hängen. "Wenn das die Mutter erfährt!" Klaus begann zu weinen und schon bald sammelten sich Leute um ihn herum und spotteten. "Da, schaut euch nur an, wie er dasteht, dieser dumme Junge von Meissen!"
Es ist leider nicht überliefert, ob es am Abend zuhause für Klaus, Ohrfeigen, Gänsebraten oder gar beides gab. Wie uns die Sage weiter berichtet, wurde aus Klaus ein äußerst gewitzter Bursche, der später am Hofe des Kurfürsten als Spaßmacher, ein lustiges Narrenleben geführt haben soll.[1]
Wandmalerei
Eine entsprechende Wandmalerei befindet sich an der Hausfassade der Neugasse 9.
Gänsejungen-Brunnen
Für die 1000-Jahr-Feier 1929 war bereits der Entwurf für einen Gänsejungen-Brunnen von Emil Paul Börner fertiggestellt. Auf dem drei Meter im Durchmesser breiten Brunnenrand sollten demnach vier Gänse mit ihren Schnäbeln Wasser speien. Bekrönt sollte der Brunnen durch die in der Mitte platzierten Skulptur vom Gänsejungen sein. Es war geplant die bronzenen Brunnenfiguren in Lauchhammer herzustellen. Der Aufstellort sollte am Kleinmarkt sein, gleich vor der Städtischen Bücherei. Leider wurde das Vorhaben nicht umgesetzt.[2]
Literatur
- Hans-Jürgen Pohl: Geschichten und Sagen des Meißner Landes, geschrieben nach alten Chroniken, Urkunden, Überlieferungen, S. 25 f.
Einzelnachweise
- ↑ Hans-Jürgen Pohl: Geschichten und Sagen des Meißner Landes, geschrieben nach alten Chroniken, Urkunden, Überlieferungen, ab S. 25.
- ↑ W. B.: Monumentalwerke der Meißner Porzellanmanufaktur – Fünf neue Großplastiken von Professor Paul Börner, in Dresdner Nachrichten, Nr. 544, 18. November 1928, S. 8.